Viele Unternehmen suchen Fachkräfte und übersehen dabei hunderttausende potenzieller Arbeitnehmenden – die Hidden Workers. Sie möchten arbeiten, doch automatisierte Bewerbungsprozesse, starre Rekrutierungskriterien und fehlende Flexibilität stehen ihnen im Weg.
Wer sind diese verborgenen Talente? Und wie können Unternehmen sie erreichen? Dieser Beitrag gibt einen Überblick über Hidden Workers in der Schweiz und zeigt, wie gezielte Rekrutierungsstrategien helfen können, dieses Potenzial zu nutzen.
Inhaltsverzeichnis
Wer sind Hidden Workers?
Hidden Workers lassen sich in drei Gruppen einteilen:
- «Missing Hours»: Menschen, die Teilzeit arbeiten, aber gerne Vollzeit arbeiten würden.
- «Missing from Work»: Langzeitarbeitslose, die aktiv eine Beschäftigung suchen.
- «Missing from the Workforce»: Menschen, die derzeit nicht arbeiten und nicht aktiv suchen, aber unter den richtigen Umständen wieder arbeiten würden.
In den USA gibt es laut Schätzung mehr als 27 Millionen Hidden Workers (ca. 8% der Bevölkerung). Ähnliche Verhältnisse bestehen in Grossbritannien und Deutschland. Für die Schweiz gibt es keine solchen Schätzungen. Aber wir haben für die einzelnen Bevölkerungsgruppen Zahlen zusammengetragen, die typischerweise zu den Hidden Workern zählen. Und können so eine grobe Schätzung abgeben.
Typische Hidden Workers sind:
- Mütter:
- 21’000 Frauen verzichten aufgrund mangelnder Kinderbetreuungsmöglichkeiten auf eine Erwerbstätigkeit
- Weitere rund 54’000 erwerbstätige Mütter würden gerne mehr arbeiten
- Personen, die regelmässig erwachsene Angehörige betreuen:
- für geschätzte 17’000 ist die Vereinbarkeit mit dem Beruf (sehr) stark belastend
- Menschen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen:
- 1,7 Millionen über 16-jährige (BFS), ca. 32% sind nicht erwerbstätig: 544’000 Personen (wobei natürlich nicht alle davon arbeiten können)
- Geflüchtete:
- knapp 90’000 anerkannte Geflüchtete (2024)
- Menschen zwischen 50 und 65:
- knapp 36’000 Arbeitslose (SECO, Dezember 2024)
- Pensionierte, die gerne weiterarbeiten würden:
- ca. 464’000 Personen (geschätzt; 51% der pensionierten Männer und 36% der pensionierten Frauen würden laut einer Umfrage der FHGR gerne weiter arbeiten; 2023 gab es 505’043 Frauen und 575’199 Männer zwischen 65 und 79 Jahren)
- Menschen ohne formale Ausbildung:
- gut 33’000 Arbeitslose ohne nachobligatorische Ausbildung (SECO, Dezember 2024)
- Ehemals Inhaftierte:
- Geschätzte 4’000 Personen, die inhaftiert waren und ihre Strafe abgesessen haben, die jetzt wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden könnten (797’000 hatten 2021 einen Strafregistereintrag, etwa 14% der Erwachsenenverurteilungen werden mit Freiheitsentzug bestraft; etwa 7’000 waren 2021 in Haft).
Insgesamt sind das grob geschätzt 1’263’000 Personen. Das entspricht etwa 13% der Bevölkerung. Etwas mehr als in den USA.
Warum bleiben Hidden Workers im Verborgenen?
Mehrere strukturelle und technologische Faktoren führen dazu, dass viele potenzielle Talente im Recruiting-Prozess untergehen:
- Automatisierte Bewerbungsverfahren: Ein Grossteil der Unternehmen nutzen automatisierte Systeme zur Vorauswahl von Bewerbenden. In der Studie zu Hidden Workers der Harvard Business School waren es 94% der Unternehmen. Dabei fallen Kandidat:innen mit Lücken im Lebenslauf, fehlenden Standardqualifikationen oder wegen Diskriminierung durch die Maschen.
- Falsche Rekrutierungslogik: Viele Unternehmen nutzen Negativfilter (z.B. fehlender Hochschulabschluss), anstatt aktiv nach relevanten Kompetenzen zu suchen.
- Mangel an betrieblicher Flexibilität: Keine flexiblen Arbeitszeiten oder Teilzeitmodelle schliessen von vornherein Hidden Workers mit besonderen Bedürfnissen aus.
- Fehlende Weiterbildungsmöglichkeiten: Viele Hidden Workers könnten mit einer kurzen Schulung qualifiziert werden, erhalten aber keine Chance.
Wie erreicht man Hidden Workers?
Hidden Workers anzusprechen ist wertvoll, gerade für Unternehmen, die Mühe haben, ihre offenen Stellen zu besetzen. Mit den folgenden Umstellungen im Rekrutierungsprozess, gelangen Sie eher an die «versteckten» Personen.
Skills-basierte Stellenanzeigen
Stellenanzeigen, die auf Skills statt Abschlüsse fokussieren, schliessen Personen nicht von vornherein aus, die keinen traditionellen Karriereweg absolviert haben. Dennoch sprechen sie diejenigen Personen an, die genau das können, was im Unternehmen benötigt wird. Ausserdem hilft es in Stellenanzeigen nur die Must-Have-Skills aufzuführen.
Von negativen zu affirmativen Filtern wechseln
Statt «diese Person hat Abschluss X nicht» oder «dieser Person fehlt ein Jahr im CV» hilft es Kandidat/innen positiv auszuwählen. Also: «Person A hat Skill X, Y und Z» oder «Person B kann X,Y und Z und das brauchen wir genau». Die Filter in Bewerbungssystemen sollten entsprechend affirmativ gestaltet werden.
Neue Bewertungsmetriken etablieren
Die bisherigen Kennzahlen im Recruiting fokussieren oft auf Kosteneffizienz und schnelles Einstellen. Ein modernes Konzept hingegen rückt die langfristige Produktivität, Innovationskraft und das Engagement der neuen Mitarbeitenden in den Mittelpunkt.
Kulturellen Wandel fördern
Die Integration von Hidden Workers erfordert auch einen internen Kulturwandel. Die Vorteile einer diversifizierten Belegschaft sollte allen bewusst werden.